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Vorfahren, Verwandte und andere Verwirrungen

Erschienen am 25.04.2017
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783941524842
Sprache: Deutsch
Umfang: 120 S.
Format (T/L/B): 1.6 x 21.8 x 14.7 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Eine Sammlung ironisch-satirischer Kurzgeschichten zum Thema Familie. Wie die ihr Angehörenden sich lieben, hassen, offen oder heimlich, still und leise, wie sie erben wollen oder (fast immer) ungerecht, zu wenig, überdies das Falsche schon geerbt haben - die Zahl der Wünsche und Hoffnungen ist grenzenlos. Natürlich liebt man sich im Angesicht der gemeinen, neidischen Außenwelt gnadenlos und immerfort weiter.

Autorenportrait

Susanne Alge Dr. phil., geboren in Vorarlberg/Österreich, lebt und arbeitet seit 1990 in Berlin als Literaturwissenschaftlerin und Autorin. Sie veröffentlichte drei Romane, einige Gutenachtgeschichten für Kinder beim Ohrenbär vom RBB, Erzählungen im Österreichischen Rundfunk, zahlreiche Biographien von deutschsprachigen Exilschriftstellern/innen und andere Beiträge zur Exilliteratur, mehrere Kurzgeschichten in Anthologien, sowie Übersetzungen aus dem Französischen.

Leseprobe

Auszug aus Die Badehose Anton war der jüngere und stillere der beiden Brüder. Komisch war, dass trotzdem immer er die Prügel bezog. Meist durchschaute er noch gar nicht ganz, was Theo eigentlich getrieben hatte, da saß bereits die erste Ohrfeige, von der sicher war, dass ihr weitere folgen würden. Anton verzog kläglich sein Gesicht und biss die Stockzähne fest zusammen, was ihm natürlich prompt als Renitenz ausgelegt wurde. In Fortissimo vorgetragene Drohungen auf weitere notwendige Erziehungsmaßnahmen folgten. Die Renitenz ließ sich gut als Rechtfertigung der Prügel nutzen, von denen er gerne noch weitere haben könne, sollte er sich einfallen lassen, zu allem Überfluss loszuheulen. Anton biss die Stockzähne noch fester zusammen, erlaubte sich aber, dabei Luft durch die Nase auszustoßen, woran man sehen konnte, was für ein störrischer Kerl dieser Sohn war. Der andere Sohn stand dabei und lächelte, nicht allzu schadenfroh, aber so unschuldig wie eben nur Unschuldige sich das erlauben konnten. Anton dachte an seine Oma, die fassungslos in Tränen ausgebrochen war, als sie im Fernsehen den ersten Western ihres Lebens sah, in dem natürlich auch Szenen vorkamen, in denen Indianer erschossen und ein paar Cowboys durch Pfeil und Bogen ums Leben gebracht wurden. Als Theo ihr erklärte, das alles sei nur für den Film gespielt, bekreuzigte sie sich und beide Enkel mussten ihr schwören, so eine Todsünde nie zum Spaß oder zur Unterhaltung auf sich zu laden. Theo machte sich auf dem Heimweg darüber lustig, aber Anton wandte ein, ihr Mann, der Opa, den sie nicht kannten, sei auch gestorben, weil Menschen aufeinander schossen. Nicht zum Spaß, sondern im Krieg. Da lachte Theo ihn ebenfalls aus und nannte ihn Blödmann. "Immerhin stecke ich für dich oft die Prügel ein", erwiderte Anton, worauf Theo ungerührt antwortete: "Ich sag´ ja: Blödmann." Anton seufzte und schluckte. Warum war er denn ein Blödmann, wenn er seinem Bruder Prügel abnahm? Er überlegte kurz, einmal etwas unerhört Mutiges zu wagen und die Wahrheit zu sagen: "Nein, nein, das war nicht ich, das hat Theo angestellt!" Er verwarf den Gedanken sofort, als vor seinem inneren Auge Theo auftauchte, der mit unschuldigem Lächeln zusah, wie Anton Prügel für ihn einsteckte. Außerdem würde ihm wahrscheinlich nicht geglaubt, sondern, im Gegenteil, für diese gemeine Lüge eine weitere Portion Prügel angeboten.